top of page

Im Reich des Frauenschuhs

Jedes Jahr Mitte Mai freue ich mich ganz besonders: Die ersten Frauenschuhe beginnen zu blühen, und zwischen den geraden Stämmen des Waldes streckt die zarte Waldhyazinthe ihre Blüten empor. An jenen wenigen Stellen, wo das Licht durch die Kronen der Bäume fällt, begegnet man dem Waldvögelein.


In diesem Jahr habe ich mich besonders dem Frauenschuh gewidmet – seiner außergewöhnlichen Blüte und den drei zarten Blättern, die im Sonnenlicht den Zauber der Orchideen entfalten.


Jedes Jahr besuche ich diese besondere Orchidee – und in diesem Frühjahr habe ich beschlossen, die klassische Makrofotografie etwas zur Seite zu legen und mich stattdessen an einem kreativeren fotografischen Ansatz zu versuchen.


Unschärfe:

Lange habe ich nach einer Perspektive gesucht, in der zwei Frauenschuhe hintereinander stehen und sich im Hintergrund eine große Baumlücke öffnet – gerade so, dass das sanfte Blau des Himmels den Hintergrund des Bildes bestimmt. Mit einer Fokussierung zwischen den beiden Pflanzen war ich schließlich zufrieden: Die charakteristische Form des Frauenschuhs bleibt erkennbar, und zugleich entsteht ein Hauch von Mystik, der dem Bild eine besondere Atmosphäre verleiht.


Traum oder Wirklichkeit
Traum oder Wirklichkeit

Mehrfachbelichtung vor Ort


Da mir das Spiel mit der Unschärfe so gut gefiel, entschied ich mich zusätzlich für eine Mehrfachbelichtung direkt vor Ort. Eine passende Pflanze im Licht des Sonnenuntergangs zu finden, war jedoch gar nicht so einfach. Für das erste Bild musste alles so komponiert sein, dass lediglich die Silhouette der Pflanze in der untergehenden Sonne sichtbar blieb – der Rest sollte nahezu vollständig im Schwarz versinken.

Bis zum letzten Sonnenstrahl fotografierte ich verschiedene Varianten und suchte mir anschließend die für mich stimmungsvollste Silhouette aus. Mit dem Wissen, welches Bild ich für die Mehrfachbelichtung nutzen wollte, machte ich mich auf die Suche nach einem besonders schönen Frauenschuh. Diesen stellte ich sorgfältig ins Bild, positionierte den Blitz hinter der Pflanze und richtete eine kleine Taschenlampe gezielt auf die Blüte.

Ich fotografierte im ersten Verschluss und mit einer leichten Kamerabewegung, sodass ein Lichtstreifen entstand, der exakt in die Silhouette des Frauenschuhs überging – und so eine ganz eigene, fast magische Bildwirkung erzeugte.

Der Weg ins Licht
Der Weg ins Licht

Nach der ersten Mehrfachbelichtung stellte ich mir die Frage, wie sich das Motiv noch spannender und ausdrucksstärker gestalten ließe. Also begann ich zu experimentieren – mit weiteren Belichtungen, veränderten Perspektiven und kleinen gestalterischen Elementen, die der Komposition eine besondere Note verleihen sollten. Ich suchte gezielt nach Details, die sich in das Bild integrieren ließen, sei es durch Lichtakzente, Strukturen oder Farben. So entstand nach und nach eine Serie, in der Technik und Intuition miteinander verschmolzen.

Synchron
Synchron
Spiegelbild
Spiegelbild

Arbeiten mit dem Weitwinkel:

Nachdem ich die kreative Phase mit Mehrfachbelichtung und Unschärfe abgeschlossen hatte, wollte ich mich einer neuen Herausforderung stellen: Weitwinkelaufnahmen. Doch schnell stellte sich heraus, dass dies gar nicht so einfach war. Das Gelände, in dem der Frauenschuh wächst, ist oft uneben, wild bewachsen und lässt eine klare Bildkomposition nur schwer zu. Linienführungen, wie man sie aus der klassischen Landschaftsfotografie kennt, fehlten meist völlig.

Also begann ich, mit anderen gestalterischen Mitteln zu arbeiten – etwa mit einem Sonnenstern bei geschlossener Blende oder bewusst mit offener Blende, um gezielt Tiefe zu erzeugen und den Blick auf das Wesentliche zu lenken. Auch hier war es ein Spiel zwischen Technik, Licht und dem, was die Natur gerade bereit war zu zeigen.

Sonnenanbeter
Sonnenanbeter
Close Up
Close Up

Zurück zur klassischen Makrofotografie:

Nachdem ich mich ausgiebig dem kreativen Spiel mit Unschärfe, Mehrfachbelichtungen und Weitwinkelperspektiven gewidmet hatte, spürte ich schließlich doch wieder den Reiz der klassischen Naturfotografie. Es juckte mir in den Fingern, noch einmal ganz bewusst zur schlichten, dokumentarischen Herangehensweise zurückzukehren – zurück zu dem, was mich ursprünglich an der Pflanzenfotografie begeistert hat: der Moment, in dem das natürliche Licht perfekt fällt und die Pflanze für sich selbst spricht.

Ich machte mich also auf die Suche und fand zwei besonders schöne Exemplare des Frauenschuhs, die vom weichen Licht der tief stehenden Sonne beleuchtet wurden. Kein künstlicher Aufbau, kein Blitz – nur die Pflanze und das Licht.

Juwel
Juwel

Zum Abschluss:

Ganz am Ende meines fotografischen Ausflugs, als ich mit den bisherigen Ergebnissen bereits sehr zufrieden war, entdeckte ich noch drei besonders schöne Waldhyazinthen. Ihre feinen Blüten standen in einer kleinen Lichtung – ein letzter stiller Höhepunkt der Woche. Auch hier erschien mir der Einsatz eines Weitwinkelobjektivs passend, um nicht nur die Pflanzen selbst, sondern auch etwas von der sie umgebenden Landschaft in die Bildgestaltung einzubeziehen.

Ich begann erst in der Blauen Stunde mit der Aufnahme – jenem kurzen Moment zwischen Tag und Nacht, in dem das Licht weich, kühl und geheimnisvoll wird. Um die besondere Stimmung einzufangen, arbeitete ich mit langen Belichtungszeiten. Während einer zweisekündigen Aufnahme zog ich die Kamera sanft nach oben in Richtung Himmel, um Bewegung ins Bild zu bringen und eine grafische Dynamik zu erzeugen.

Nach zahlreichen Versuchen entstand schließlich ein ausgewogenes Bild, in dem nicht nur die Waldhyazinthen ihre zarte Schönheit zeigen, sondern auch Linienführung, Farben und Atmosphäre harmonisch zusammenspielen.

Die drei Waldhyazinthen
Die drei Waldhyazinthen

Ich hoffe, ich konnte mit diesem kleinen Blogeintrag dem einen oder anderen etwas Inspiration mit auf den Weg geben. Es lohnt sich, immer wieder neue Perspektiven auszuprobieren und kreativ mit Licht und Technik zu spielen – gerade bei so faszinierenden Motiven wie dem Frauenschuh.

Übrigens: Die hier gezeigten Ansätze nutze ich auch regelmäßig im Herbst, wenn die kleinen, geheimnisvollen Pilze den Waldboden schmücken. Besonders das kreative Arbeiten mit dem Blitz eröffnet dabei ungeahnte Möglichkeiten, um Stimmungen zu erzeugen und Details herauszuarbeiten.

Wenn du selbst lernen möchtest, wie man mit Blitz, Mehrfachbelichtung und Bewegung eindrucksvolle und individuelle Naturbilder gestalten kann, dann lade ich dich herzlich zu meinem Workshop Kreativ mit dem Blitz ein. Dort zeige ich dir Schritt für Schritt, wie du deine Motive auf ganz neue Weise ins Licht setzen kannst – egal ob Pflanzen, Pilze oder andere kleine Wunder der Natur.

 
 
 

Comments


bottom of page